(Zusammenfassung 1700) Patt im Abgas-Skandal: VW weist neue Vorwürfe aus den USA zurück (Foto - aktuell)
03-11-2015 16:59
Patt im Abgas-Skandal: VW weist neue Vorwürfe aus den USA zurück
(Foto - aktuell) =
Volkswagen droht weiterer Schaden im Abgas-Skandal. Die
US-Umweltbehörde EPA erhebt neue Vorwürfe. Europas größter Autobauer
weist die Anschuldigungen zurück, doch seine Aktie rutscht wieder ab.
Wolfsburg/Washington (dpa) - Im Abgas-Skandal bei Volkswagen steht
nach neuen schweren Vorwürfen der US-Umweltbehörde EPA Aussage gegen
Aussage. Die EPA beschuldigt VW, bei weiteren Dieselmotoren eine
Manipulations-Software eingesetzt zu haben. Volkswagen hält dagegen,
kein Programm installiert zu haben, "um die Abgaswerte in
unzulässiger Weise zu verändern". Die Fronten zwischen der EPA und VW
scheinen verhärtet zu sein. An der Börse verlor die VW-Aktie am
Dienstag rund drei Prozent und war der größte Verlierer im Dax.
Nach den neuen EPA-Vorwürfen wären erstmals auch Porsche-Fahrzeuge
und jüngere Modellreihen betroffen. Wie die Behörde am Montagabend
mitgeteilt hatte, wurden in bestimmten Diesel-Modellen der Marken VW,
Audi und Porsche Drei-Liter-Diesel-Motoren verbaut, die bei
Stickoxid-Emissionen die in den USA erlaubten Grenzwerte um das bis
zu Neunfache überträfen.
Dabei gehe es um die Geländelimousinen VW Touareg, Porsche Cayenne
und Audi Q5 sowie die Limousinen Audi A6 Quattro, Audi A7 Quattro und
den Audi A8 sowie dessen Langversion. Betroffen seien die Modelljahre
von 2014 bis heute. Mit sportlichen Geländewagen wie dem Touareg und
dem Cayenne verdient Europas größter Autokonzern viel Geld.
Wie viele Fahrzeuge in den USA und weltweit genau betroffen sind, ist
bislang nicht bekannt. Die neuerliche Rüge der EPA beziehe sich auf
ungefähr 10 000 Diesel, die seit dem Modelljahr 2014 in den USA
verkauft worden seien. Zusätzlich sei eine bisher unbekannte Zahl
aktueller Fahrzeuge betroffen.
Wie ein Sprecher des Sportwagenbauers Porsche mitteilte, sind wohl
etwa 3000 Dieselfahrzeuge der VW-Tochter betroffen. Die Vorwürfe
würden noch geprüft. "Wir werden vollumfänglich mit der EPA
kooperieren, um den Sachverhalt rückhaltlos aufzuklären." Bei den
Autos handelt es sich um Diesel-Cayennes, die von Januar bis
September in den USA ausgeliefert wurden. Das ist knapp ein Viertel
aller 2015 an US-Kunden übergebenen Cayennes. Die beanstandeten
Motoren sind nicht von Porsche selbst, vielmehr greift die Firma auf
Vorarbeiten anderer VW-Konzernbereiche zurück.
"VW hat einmal mehr seine Verpflichtungen missachtet, sich an die
Gesetze zu halten, welche saubere Luft für alle Amerikaner sichern",
sagte EPA-Vertreterin Cynthia Giles einer Mitteilung zufolge. Die
Software in diesen Fahrzeugen beinhalte ein oder mehrere
Zusatz-Instrumente zur Abgas-Kontrolle, die der Konzern bei der
Zulassung der Modelle nicht offengelegt, beschrieben und begründet
habe. Nach Darstellung der EPA erkennt die Software, die der Behörde
zunächst verborgen blieb, die Abgas-Testprozedur aus den USA und
schaltet dann in einen Modus, der Stickoxide (NOx) gezielt mindert.
Für NOx-Gase gelten in den Vereinigten Staaten besonders strikte
Grenzen.
Der Autobauer dagegen teilte am Montagabend mit: "Die Volkswagen AG
betont, dass keine Software bei den 3-Liter V6-Diesel-Aggregaten
installiert wurde, um die Abgaswerte in unzulässiger Weise zu
verändern." Zudem habe die EPA VW mitgeteilt, dass die Software "im
Genehmigungsprozess nicht hinreichend beschrieben" worden sei.
Die US-Umweltbehörde hatte den Skandal um geschönte Abgaswerte bei
Volkswagen Mitte September ins Rollen gebracht. Sie wies nach, dass
Dieselwagen aus dem VW-Konzern über eine Software die Situation auf
einem Prüfstand erkennen und in eine Art Abgas-Schonmodus schalten,
um so strikte Emissionsvorgaben einzuhalten. Im Normalbetrieb auf der
Straße soll der Schadstoffausstoß dagegen deutlich höher sein.
Bisher ging es nur um die kleineren Vierzylindermotoren, die bis 2,0
Liter Hubraum haben. Die EPA-Enthüllung erreichte auch Europa, wo der
VW-Konzern vom nächsten Jahr an 8,5 Millionen Dieselfahrzeuge
zurückrufen muss.
Der Vorwurf gegen Porsche ist auch deshalb pikant, weil der neue
VW-Konzernchef Matthias Müller noch bis vor kurzem Chef des
Stuttgarter Sport- und Geländewagenbauers war. Müller war im Strudel
des Skandals auf den zurückgetretenen VW-Vorstandschef Martin
Winterkorn gefolgt, der damit Verantwortung für die Affäre übernahm.
Unterdessen schrammte VW im Oktober in den USA nur hauchdünn an einem
Absatzminus vorbei. Die Verkäufe der Pkw-Kernmarke des Konzerns
wuchsen im Jahresvergleich nur noch um 0,2 Prozent auf 30 387 Autos.
Allerdings hatte der Oktober in diesem Jahr einen Verkaufstag mehr
als 2014.
Auf dem deutschen Markt verkaufte Volkswagen entgegen dem Trend
weniger Autos. Die Neuzulassungen von VW sanken im Vergleich zum
Vorjahresmonat um 0,7 Prozent, wie das Kraftfahrt-Bundesamt
mitteilte. Eine Folge des Skandals um manipulierte Abgas-Werte ist
das Minus aber vermutlich noch nicht: Bei privaten Käufen liegen nach
Branchenangaben rund zwei Monate zwischen Bestellung und
Auslieferung. Sollte die Dieselaffäre Auswirkungen haben, wären diese
erst im November oder Dezember sichtbar.