Bush und der Ausnahmezustand
Martin Hauck ist alles andere als begeistert über den Besuch von George W. Bush. Der US-Präsident weilt von heute Abend an für zwei Tage in der Provinzmetropole in Mecklenburg-Vorpommern. Bundeskanzlerin Angelika Merkel hat ihn zu diesem Privat-Besuch nach Stralsund eingeladen. Sie will dem gebürtigen Texaner ihre Wahlheimat zeigen. Stralsund ist Merkels Wahlkreis, genauer gesagt: "Der heißt Stralsund-Nordvorpommern-Rügen und liegt oben rechts auf der Deutschlandkarte", wie ein Taxifahrer erzählt. Und der wittert schon eine reine "Eigenwahlwerbung", schließlich seien in "Meck-Pomm" bald Landtagswahlen.
Aber erst kommt Bush - und mit ihm der "Ausnahmezustand". So empfinden das viele. Zwar verspricht die Polizei, dass es kein zweites Mainz geben soll. Die Gutenbergstadt schnitt die Polizei im vergangenen Jahr regelrecht von der Außenwelt ab, verwandelte sie in eine Geisterstadt - entsprechend kam Bush vielen auch als "Gespenst" vor, gesehen haben ihn die Mainzer nämlich nicht.
Hubschrauber über der Stadt
Auch in Stralsund steigt die Spannung. Rund 12.000 Polizisten wachen über die Stadt. Manche kommen recht entspannt daher, posieren fürs eigene Album vor der Nikolaikirche oder schlecken Eis am Hafen. In der sonst eher beschaulichen Stadt drängen sich immer wieder die Hubschrauber in die Ohren, die über den Dächern der Stadt kreisen.
In den letzten Tagen wurden tausende Gullydeckel unter Polizeischutz verschweißt und vor der Küste liegt ein Schiff der US-Marine. Sämtliche Autos müssen bis heute Abend aus der Stadt verschwinden - so lässt sich nach Polizeiangaben die Bombengefahr mindern. Und die Anwohner in der "roten Kernzone" - mitten im Herz der Altstadt - müssen am Donnerstag für einige Stunden in ihren Wohnungen ausharren. Das regt die Leute auf.
"Baden hinter Stacheldraht"
Immerhin erwartet die ostdeutsche Stadt die "meistgefährdete Person der Welt", sagt Polizei-Einsatzleiter Knut Abramowski. Und fügt - ohne mit der Wimper zu zucken - hintan: "Mit einem Anschlag ist zu rechnen." Auch Bushs Hotel in Heiligendamm ist von einem mannshohen Sicherheitszaun umgeben, der laut Polizei gut 1300 Meter umfasst. "Baden hinter Stacheldraht, fast so schön wie zu DDR-Zeiten", witzelt ein Anwohner und schüttelt den Kopf.
Diese Zeiten lässt der Rummel um Bush auch bei Anna Röll wieder aufleben. "Das macht mir richtig Angst, wir werden als Terroristen abgestempelt, nur weil wir gegen Krieg sind und müssen Repressalien erleiden", sagt sie. Sie gehört zum Friedensbündnis Stralsund, das eine Demonstration gegen die Bush-Visite auf die Beine stellt. Sie erwarten mehr als 5000 Menschen. Sie wird außerhalb der Altstadt stattfinden. Die Route direkt durch die Altstadt und an Bush vorbei verbot das Gericht. "Als dürften wir unsere Meinung nicht sagen", empört sich Röll.
"Im Auge der Weltöffentlichkeit"
Das dürfen sie. Nur außerhalb der roten Zone. Ob Bush etwas davon mitbekommt? Keine Ahnung, sagt sie und zuckt mit den Schultern. Aber ihre Waffe sei die "Weltöffentlichkeit", diktiert sie weiter in den Notizblock. "Auf das Auge der Presse kommt es an", betont Röll. Gut 1000 Journalisten machen die Stadt seit Tagen unsicher, sie filmen, schreiben, was die Batterien und der Filzstift hergeben - die Stralsunder kennen die Fragen inzwischen in- und auswendig.